Nachdem im Blog lange Zeit Ruhe war, wird es mal wieder Zeit für ein paar Buchtipps bzw. Buchkritiken (je nachdem wie mir das Buch gefallen hat).
Hörensagen – Wahrheitsfindung in einer faktenfeindlichen Welt (Asa Wikforss)
Ich habe ja schon einige Bücher zum Thema Verschwörungsmythen gelesen. Es fällt mir immer noch schwer zu verstehen, wie Menschen auf offensichtlichen Blödsinn reinfallen können. Die Autorin (eine schwedische Professorin für theoretische Philosophie) fängt ihr Buch mit der Frage an, was es überhaupt bedeutet etwas zu wissen. Nach ihrer Meinung sind drei Dinge dazu notwendig:
- ich muss es glauben
- es muss wahr sein
- es muss Evidenzen dafür geben
Man braucht hier nur mal über die Aussage „es regnet draußen“ nachzudenken…
Die Autorin schreibt aber auch über Fake News, wie falsche Meinungen entstehen und wie Lügen ausgenutzt werden können. Interessant war auch das Kapitel zu Schulen und welchen Einfluss die Umstellung bei der Wissensvermittlung hatte. Es wird eindringlich dargestellt, dass „die Schüler sollen sich Wissen selbst erarbeiten“ ohne die Vermittlung von Grundinformationen und -techniken sehr großen Schaden anrichtet.
Das Buch ist stellenweise nicht leicht zu lesen und man mag Frau Wikforss stellenweise einen zu akademischen Stil vorwerfen. Aber ich halte es für ein sehr wichtiges und gutes Buch. Und was heißt schon schwer? Das Gehirn ist ein Muskel, der trainiert werden will;-)
Macht & Millionen – Die spektakulärsten Verbrechen und Skandale (Kayhan Özgenc und Solveig Gode)
Wenn man an Verbrechen denkt, fallen einem aufgrund der vielen True Crime Podcasts sicherlich zuerst spektakuläre Serienmörderfälle ein. Oder vielleicht noch die Stichwörter „Rocker“ oder „Clan“. Aber es gibt Verbrechen, die oft ganz ohne Blut und Tote ablaufen. Und die sind mindestens genauso spannend. Im Englischen heißen diese Verbrechen „White Collar Crime“: im Deutschen ziemlich trocken „Wirtschaftsverbrechen“. Seit einiger Zeit gibt es einen Podcast dazu „Macht&Millionen; sehr empfehlenswert!) und 12 davon gibt es jetzt auch als Buch. Dabei geht es nicht immer nur um Verbrechen; manchmal geht es um schnöde Erbschaftsstreitigkeiten. Neben dem Cum-Ex-Skandal und der Wulff-Affäre geht es u.a. um Erbstreitigkeiten bei Tönnies und Tengelmann. Meine Lieblingsgeschichte ist aber die von „Big Manni“, der Tausende Maschinen verkauft hat. Dummerweise gab es die nur auf dem Papier…
Erschreckend sind zwei Dinge: zum Einen wie sich Politiker gerne im Licht solcher zwielichtigen Typen sonnen (siehe Big Manni oder Wirecard) und wie oft die Betrüger relativ ungeschoren davon kommen.
Das macht stellenweise echt schlechte Laune; aber trotzdem kann ich das Buch nur empfehlen.
Und erlöse uns von den Blöden – Vom Menschenverstand in hysterischen Zeiten (Monika Gruber und Andreas Hock)
Als ich mir das Buch gekauft habe, wusste ich nicht wer Monika Gruber ist. Mittlerweile hat sie sich ja von der Bühne zurückgezogen und hat sich als Fan von Hubert Aiwanger geoutet. Das erklärt nun einige Aussagen im Buch, die mich irritiert haben.
Unbestritten hat man zeitweise das Gefühl, dass in der gesellschaftlichen und politischen Diskussion nur noch das Schrille vorherrscht. Sachlich diskutiert wird eigentlich nicht mehr und grundsätzlich ist jeder irgendwie benachteiligt. Grundtugenden wie Höflichkeit und Pünktlichkeit sind out. Und zum Thema Berufswunsch Influencer sage ich mal lieber nichts…
Allerdings gibt es dann doch Passagen im Buch, die nicht zu meinen Ansichten passen. Ganz vorne natürlich das Thema Corona. Und spätestens beim Moral-o-meter („wie Nazi-gefährdet sind sie“) bin ich ausgestiegen.
Merke: nicht alles, was witzig scheint, ist es auch.
Wenn man gedanklich auf meiner Wellenlänge ist und sich mal challengen will: das Buch eignet sich dafür. Man soll ja nicht immer in der eigenen Bubble verharren.
Aber ein Fan von Frau Gruber bin ich nicht geworden.
Schwarzbuch McKinsey – Die fragwürdigen Praktiken der weltweit führenden Unternehmensberatung (Walt Bogdanich und Michael Forsythe)
Wer schon immer nicht viel von Beratungsunternehmen hielt, wird seine Meinung nach der Lektüre dieses Buches nicht ändern. Auf knapp 400 Seiten wird beschrieben, wie ein großes Beratungshaus Stück für Stück auf der ganzen Welt ausgebreitet hat. Auch wenn man nach außen moralisch tut, zeigen viele Beispiele dass am Ende doch nur das Geld zählt. Aber es wird McKinsey hier auch oft leicht gemacht, weil Politiker sich mit Themen nicht beschäftigen wollen oder können und Verantwortung gerne abtreten wollen (was m.E. nicht geht). Spätestens wenn man bei einem Thema zwei Parteien vertritt (z.B. Pharmaunternehmen und Gesundheitsbehörde), wird es doch sehr fragwürdig.
Das Buch ist keine leichte Kost und 400 Seiten sind keine Nachmittagslektüre; aber es lohnt sich. Schlechte Laune ist aber garantiert!
Digitale Jäger – Ein Insiderbericht aus dem Recherchenetzwerk Bellingcat (Eliot Higgins)
In der heutigen Zeit ist das Problem nicht so sehr dass wir keine Informationen haben. Eher haben wir zu viel und wissen oft nicht, welcher Quelle wir noch trauen können. Glücklicherweise gibt es Menschen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben Fakten von Täuschungen zu trennen. Und sie machen das auf eine Weise, die ihre Ergebnisse überprüfbar macht. Eine dieser gruppen ist das Recherchenetzwerk Bellingcat. Im Buch wird anhand von Beispielen beschrieben (Abschuss von MH17 über der Ukraine, Syrienkrieg etc.), wie man die Echtheit von Fotos und Videos überprüfen kann. Gleichzeitig wird dargestellt, wie aus einem Ein-Mann-Projekt eine ganze Gruppe wurde. Das Ganze ist spannend geschrieben, auch wenn der Autor sich gelegentlich zu sehr selbst lobt.
Aber man lernt viel dabei und es liest sich flüssig. Und wieder eine Leseempfehlung!
Ein falscher Klick – Hackern auf der Spur: Warum der Cyberkrieg uns alle betrifft (Eva Wolfangel)
Cyber ist mittlerweile ein Wort geworden, welches IT-Security-Spezialisten nicht mehr hören können. Deshalb könnte das Wort „Cyberkrieg“ im Untertitel des Buches einen vom Kauf abhalten. Dann würde einem aber ein sehr interessantes Buch entgehen. Es geht um kriminelle sowie um staatliche Hacker. Bekannte Malware wie Stuxnet und Flame begegnet man; aber auch nicht so bekannten Angriffen. Es geht aber auch z.B. um Social Engineering; u.a. wird Christina Lekati erwähnt. Ihrem Vortrag durfte ich auf der RuhrSec 2019 lauschen (Vortrag auf YouTube verfügbar). Auch Lilith Wittmann wird erwähnt, die regelmäßig insbesondere schlechte Behörden-Software aufdeckt. Das Buch macht sich aber auch Gedanken dazu, wo es bei der IT-Sicherheit immer noch hakt. Und dabei ist es gut lesbar und trotzdem inhaltlich korrekt.
Das Buch ist definitiv auch für Nicht-ITler geeignet! Aber auch Fachleute werden die Inhalte interessant finden.
Der große Roman der Mathematik – Von den Anfängen bis heute (Mickael Launay)
Mathematik ist ein Thema, bei denen vielen leider nur einfällt „das habe ich nie verstanden“. Meiner Meinung nach (und ich bin da nicht alleine) liegt es oft an der schlechten Präsentation in der Schule. Es werden oft nur Formeln gepaukt, ohne auf den Kern der Mathematik einzugehen. Helfen könnte da z.B. ein tieferes Verständnis dafür, wie sich Mathematik entwickelt hat. Was waren die Anfänge?[1]
Der Autor bringt aber nicht nur die üblichen Beispiele (Babylon), sondern zeigt auf dass sich bestimmte Ideen gleichzeitig auf der Welt entwickelt haben. Ich hatte z.B. noch nichts von den 2200 Jahre alten „Neun Büchern arithmetischer Technik“ gehört, die während der Han-Dynastie in China geschrieben wurden.
Das Buch kommt nicht ganz ohne Formeln aus und man muss sich auf die betrachteten Themen einlassen. Belohnt wird man aber mit einem sehr schönen Buch zur Mathematik und ihrer Geschichte. Und wenn man sich als Nicht-Mathematiker auf die Reise einlässt, wird man mit sehr großer Wahrscheinlichkeit am Ende sagen: „wenn man mir es so erklärt hätte, dann hätte ich Mathematik auch gemocht“. Versprochen!
[1] Hierzu empfehle ich auch die Dauerausstellung im Heinz-Nixdorf-Museum in Paderborn.
Out of the Dark – Die wahre Geschichte hinter einem der größten Darknet-Marketplaces der Welt: WallStreet Market (Martin Frost)
Unter dem Darknet stellen sich viele Menschen einen dunklen Ort vor, an dem superschlaue, skrupellose Kriminelle ihren dunklen Geschäften nachgehen. Aber wer sind wirklich die Leute, die sich dort bewegen? Und wie kam es dazu dass sie kriminell wurden? Mit Martin Frost beschreibt ein Insider seinen Weg auf die dunkle Seite. Seine ersten Schritte mit dem Computer; wie bei vielen Teenagern bewegte er sich da in einer Grauzone (Filesharing). Er rutscht tiefer und tiefer in die Szene rein. Antrieb für ihn sind Anerkennung und viel Geld. Und irgendwann ist er Mitbegründer von „Wallstreet Market“; einem Umschlagplatz für viele illegale Dinge. Der Preis dafür sind am Ende 7 Jahre und 9 Monate Haft.
Das Buch ist wirklich gut geschrieben und Martin Frost reflektiert ehrlich seinen Weg und die falschen Entscheidungen, die er getroffen hat. Kein reißerisches Buch, wie es beim Thema Darknet ja so oft der Fall ist. Definitiv lesenswert!
Die Jagd auf das chinesische Phantom – Der gefährlichste Waffenhändler der Welt oder: Die Ohnmacht des Westens (C. Giesen, P. Grüll, F. Obermaier, B. Obermayer)
Um auf der FBIs Most Wanted Liste zu landen, muss man schon Einiges anstellen. Aber wenn auf eine Person bis zu 5 Mio. US-$ ausgesetzt sind, dann handelt es sich um einen Top-Kriminellen. Das Buch handelt von Li Fangwei, auch bekannt als Karl Lee. Er ist chinesischer Staatsbürger und handelt mit verschiedenen Gütern. Unglücklicherweise handelt es sich bei diesen Gütern um Rohstoffe und Geräte, die es u.a. dem Iran ermöglichen immer präzisere und weitreichendere Raketen zu bauen. Im Buch wird die fast 5-jährige Recherche beschrieben und es gibt einen Einblick in die internationale Politik und in Geheimdienstoperationen. Es ist sehr spannend geschrieben und lässt einen so schnell nicht los. Die 250 Seiten sind eine gute Wochenendlektüre. Sehr empfehlenswert!